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Nadja

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Nadja

1.

Der Geruch von Eintopf, Bier, frisch gebackenem Brot und heißem Kerzenwachs lag in der Luft. Es war 7 Uhr abends, und allmählich füllte sich die Kneipe mit Gästen aus dem ganzen Dorf. Hier war der ideale Platz, um nach einem langen Tag in der Gesellschaft von Freunden ein wenig zur Ruhe zu kommen, über dies und das zu reden und es sich einfach gut gehen zu lassen – insbesondere, da es draußen merklich kälter geworden war und der Winter vor der Tür stand.

Kristian lächelte in sich hinein und bestellte einen weiteren Krug Bier. Er saß zusammen mit seinem guten Freund Georg an einem der hinteren Tische, und gerade war das Gespräch irgendwie auf Nadja gekommen. Kristian konnte nicht anders als lächeln, wenn er an sie dachte.

“Du bist noch immer sehr verliebt in sie, oder?” fragte Georg, was unnötig war.

“Oh ja”, antwortete Kristian und schaute verträumt in das flackernde Kerzenlicht, “und wie!”

Georg lächelte auch. Aber es war ein eher nachdenkliches Lächeln. Innerlich kämpfte er mit sich, ob er Kristian sagen sollte, was er die ganze Zeit schon auf dem Herzen hatte, oder ob er es besser weiterhin genießen sollte, dass sein Freund so glücklich war. Er entschied sich für letzteres und orderte selbst auch noch einen Krug Bier, aus dem er dann immer wieder einen Schluck nahm, während er zuhörte, wie Kristian aus dem Schwärmen nicht mehr herauskam.

“…und gestern sind wir ausgeritten. Erst über den Fluss und dann über die Berge im Süden, dort, wo ich vorher noch nie war. Dort gibt es einen See und eine kleine Hütte… sie zeigt mir so viel Neues… was ist denn?”

“Ihr beide seid wirklich zu beneiden”, sagte Georg schließlich, nachdem er noch einen Schluck Bier genommen hatte, “und ich freue mich ehrlich für Dich.”

“…aber irgendetwas macht Dir Sorgen”, ergänzte Kristian.

“Ja”, gab Georg zu, “aber ich will Dir jetzt keine Angst machen oder so…”

Kristian blickte seinen Freund irritiert an.

“Sags mir einfach, du weißt, dass Du mir alles sagen darfst…”

“In Ordnung… du weißt, dass Du nicht Nadjas erster Mann bist”, sage Georg.

Kristian lächelte wieder. “Ja, das weiß ich. Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen… ob alles, was wir erleben, wirklich so besonders ist, oder ob es mit ihren vorherigen Männern auch so war und bei uns auch irgendwann zu Ende ist…”

Georg schüttelte verneinend den Kopf, aber Kristian bemerkte es nicht und redete einfach weiter.
“…ob ich mir vielleicht alles nur einbilde und es für sie gar nicht so besonders ist, ob ich ihr überhaupt gerecht werde… aber auf der anderen Seite, sie ist auch nicht meine erste Frau…”

“Nein, darum geht’s mir gar nicht”, unterbrach Georg schließlich.

“Worum denn dann?” wollte Kristian wissen.

“Eigentlich eher darum, dass all ihre vorherigen Männer verschwunden sind.”

“Woher weißt denn Du das?”

“Ach, das hört man halt so…”

Mit einem säuerlichen Grinsen ließ Kristian seine Blicke in der Kneipe umherwandern. “So, so. Was man nicht alles so hört…”

“Es ist nicht so, dass das ganze Dorf darüber redet…”, beschwichtigte Georg, der Kristians Gedanken erraten hatte, “ich habe nur von der Tochter des Schmiedes davon gehört, die mit Nadjas Schwester befreundet ist…”

“Schlimm genug”, erwiderte Kristian und nahm einen großen Schluck Bier aus seinem Krug.

Eine Weile saßen die beiden da und sprachen kein Wort.

“Ach Kristian, ich wollte Dir nicht Deine gute Laune verderben, es ist nur so, dass ich Angst um Dich habe…” sagte Georg schließlich.

“Und Du denkst tatsächlich, Nadja hat etwas damit zu tun, dass sie verschwunden sind?” fragte Kristian.

Zögerlich zuckte Georg mit den Schultern. “Ich weiß es nicht, es könnte sein…”

Kristian atmete tief durch. “Georg, Du weißt ganz genau, dass Menschen eben einfach verschwinden.

Du könntest morgen verschwinden. Oder der Wirt. Oder Nadja. Oder eben auch ich. Das passiert einfach, und niemand kann etwas dafür…” (more…)


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